Der Innovationsfluss wird oft als Voraussetzung für den Fortbestand von Firmen gesehen. Demnach sorgt er für marktrelevante Produkte und spannt ein Feld auf, in dem sich die zukünftige Geschäftstätigkeit abspielen kann. Und der Gegensatz wird dann gerne durch ein an Marktrelevanz mangelndes Produkt- oder Dienstleistungsportfolio beschrieben, das den Fortbestand der Firma gefährdet.
Doch was passiert denn in der Realität, wenn die Rahmenbedingungen so sind? Wie läuft das ab, wie fühlt sich das an und wohin führt das dann?
Wenn man in der Literatur zum Thema stöbert, findet man immer wieder Quellen, die zeigen, dass Innovationsmangel nicht geradewegs in den unternehmerischen Abgrund führt, sondern eher Firmen angreifbar macht, gerade im Falle ungünstiger äußerer Umstände, wie z.B. der Wirtschaftslage! Eigentlich ist das vergleichbar mit den Abwehrkräften des gesunden und vorbereiteten Körpers im Gegensatz zu den fehlenden eines erkrankten und anderweitig gestressten Körpers.
So wird z.B. immer wieder der Untergang der deutschen Uhrenindustrie dahingehend zitiert, dass nicht von einem Tag auf den anderen alle Menschen von Zeigeruhr auf Digitaluhr umgestellt haben. Sicher spielte es auch eine Rolle, dass die deutschen Anbieter keine attraktiven Digitaluhren im Programm hatten. Dies reflektierte dann indirekt auch auf die Zeigeruhren, die mehr und mehr in der Kundenwahrnehmung bei Firmen mit einem traditionellen, also unmodernen, Produktportfolio verortet wurden.
Bei genauerem Hinschauen zeigten sich aber eher makroökonomische Verwerfungen als Auslöser, des dann relativ schnellen Niedergangs und dort namentlich die Verschlechterung der Dollar/DM Parität, die die Kaufwilligkeit speziell amerikanischer Kunden schrumpfen ließ.
In diesem speziellen Fall der Uhrenindustrie führte das zu massenhaftem Arbeitsplatzabbau und auch zu Firmeninsolvenzen, sodass die Industrie in einem relativ engen Zeitfenster massiv schrumpfte.
Gibt es denn heute aktuelle ähnlich gelagerte Fälle, zum Beispiel auch in anderen Produktbereichen?
Ich möchte deshalb ein kurzes Schlaglicht auf die Elektromobilität im Kontext der Corona Pandemie werfen.
Die weltweite Autoindustrie zeigte ein uneinheitliches Bild, hinsichtlich des Wandels in der Antriebstechnologie. Da gibt es den amerikanischen Frontrunner Tesla beim batterieelektrischen Auto. Andererseits gibt es die japanische Industrie mit dem Fahnenträger Toyota, die schon seit 20 Jahren für den hybriden Weg plädieren, nämlich Verbrenner und E-Motor im Auto parallel zu betreiben. Dann gab es interessante symbiotische Konstellationen, indem z.B. der Fiat-Chrysler Konzern (heute in Stellantis aufgegangen) die Emissionsgutschriften von Tesla kaufte, um seinen Emissionsüberhang aus den schweren Chrysler Fahrzeugen abzubauen.
Zudem gibt es Situationen, wie die des deutschen Premiumherstellers Daimler, wobei nicht abgesichert ist, ob das eine typische Konstellation für die Folge zögerlichen Umgangs mit Innovation ist. Dies ist auch kein Beispiel wo Innovationsmangel zum Kollaps führte, aber wohl eher ein Beispiel, in dem auch in Verbindung mit einer anderweitigen Krise, wie z.B. der Covid-Pandemie, ein Stück weit die unternehmerische Hoheit an andere Player geht, die möglicherweise vorwiegend durch Eigeninteressen getrieben agieren.
Und da alles parallel stattfindet, ist es schwer zu sagen, was Ursache und was Folge ist. So gab man den Technologievorsprung bei Brennstoffzellenantrieben an asiatische Player wie Toyota und Kia ab, obwohl man vorher das Thema über nahezu 30 Jahre im Vorentwicklungsstadium dominierte.
Bei der Batterieelektrik zog man keine durchgehende Linie, sondern startete immer wieder mit Smart, A- und B-Klasse, um jedes Mal nach kurzer Zyklenzeit wieder zurückzuziehen. Aus Kundensicht war nicht nachvollziehbar was der Grund dafür war, so dass mediale Spekulation über den Mangel an Batterien die Oberhand gewann.
Und so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Jonglieren die Gelegenheit bot, dass andere Player ihren Einfluss steigerten. Könnte man das vielleicht mit dem Begriff „Filettieren 2.0“ beschreiben, vermochten es doch asiatische Aktionäre, sich ein signifikantes Aktienpaket zu sichern, dann in Form von Smart eine ganze Baureihe einzuverleiben und wenig später eine vierzylindrige Motorenbaureihe. Ob die Zerlegung in eigenständige LKW und PKW Konzerne auf den gleichen Bruchstrich passt, wird man in ein paar Jahren sehen.
Und da könnte es nun durchaus sein, dass wenn sich der komplette Corona Lockdown Nebel verzieht, offenbar wird, dass andere am Hebel der Macht stehen.
Dr Ulrich W. Schiefer, MBA; AtTrack GmbH
Bildquellen von links nach rechts:
– Daimler AG
– Mabit1, Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kienzle_Taschenuhr_2.jpg
– Pexels