Auf Einladung von Porsche Schweiz nimmt der Gründer der Porsche Engineering Group und Sportwagenexperte (u.A. ehemaliger Aston Martin Entwicklungschef) am Techniktag in Hockenheim für den neuen 911 teil und setzt ihn gedanklich in den Markt in dem er 2019 ankommt und in die Zukunft, die er vor sich hat.
Die Anreise zur Porsche Präsentation in Hockenheim erfolgte im Cayenne Turbo! War das ein Zufall, dass mir Porsche dieses Auto zur Anreise andiente? Verbrennungsmotorischer und elektrofreier geht’s wohl nimmer, vor allem auch in Zukunft.
Und das sei vorweggenommen – 911 und Cayenne sind Prachtexemplare der Verbrennerspezies.
Mit großem technischem Aufwand ist ein sehr guter Wurf gelungen, der viele der grundsätzlichen Schwächen des Verbrenners kaschiert. Mit dem Vielgang Wandlergetriebe und nachhaltigem Ladedruck zweier Lader ausgestattet, wird jedes Drehmoment Loch einfach weg gebügelt. Wenn das Tempolimit auf der Autobahn aufgehoben wird, geht man drauf und der „Riesenkoffer“ schiebt an als gäbe es kein Morgen und das ohne jeglichen Eingriff des Fahrers – außer dem Durchtreten bis zum Anschlag. Seidig und ohne den leisesten Zugkrafteinbruch schaltet der Wandler im Vielgangautomaten und hält den Achtender in einem Drehmomentbereich in dem, wenn überhaupt – nur von Drehmomentbergen und nicht –tälern gesprochen werden kann.
Und dann setzt der Verstand ein und sucht das soeben erlebte in einen Rahmen zu etwas bereits Erlebtem zu setzen: es kommt mir in den Sinn, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn man mir die Instrumente zuhängen würde und mir schalldichte Micky Mäuse aufsetzen würde? Nach einigem hin- und her- Überlegen – ich fahre ja viele verschiedene Autos – kam mir in den Sinn, dass das Beschleunigungserlebnis am ehesten vergleichbar ist mit dem eines Tesla Modell S Allrad.
Wohlgemerkt spreche ich nur vom Antrieb nicht vom Rest des Fahrzeuges. Und beim Antrieb, ist dann der Eindruck ein bleibender, dass ein Verbrennungsantrieb wohl selten so nahe an das Potential des elektrischen Antriebs herangekommen ist, wie der des hier gefahrenen Cayenne Turbo.
In Hockenheim angekommen, steht er nun da der Elfer – der in Blech gepresste Jungen- und Vätertraum der Nachkriegsgeneration ganz nach dem Motto „der Bub solls mal besser haben als wir“, mit dem der Sohn oder die Tochter durch Kauf des ersten Elfer Vollzug meldet: „Mission Wohlstand erfüllt“.
Und wohin hat denn das Porsche Markenversprechen das jüngst vorgestellte Modell geführt, wo doch schon jeder Vorgänger der vermeintlich beste Sportwagen war. Der Superlativ von der „Beste“ kann dann doch nur noch der „Allerbeste“ sein und nun noch vielleicht sogar der allerbeste aller Zeiten (der rein verbrennungsmotorisch angetriebenen Sportfossilien). Weil – und das ist auch angesichts jüngst angekündigter Produktportfolio Meldungen, wonach die neue Modellreihe auch für den Verbau eines Hybridstranges vorbereitet ist, die für viele Hardcore Fans bittere Nachricht, dass der Elfer wohl nie mehr so wenig elektrischen Schub hat, wie der jetzige, nämlich keinen.
Axt an den Elfer Motor zu legen ist eine äußerst diffizile Operation, wie die Porsche Mannen erleben mussten, als sie den Elfer Fahrern, das Fehlen des Gebläse Heulens zumuten wollten.
Schön ist er geworden und noch ausgewogener in der optischen Anmutung, als er eh schon war. Wobei er es ja mit den Essenzen des Sportwagens nie so genau nahm, die da sind: vor den Vorder- und hinter den Hinterrädern ist idealerweise nichts und unter keiner Blickrichtung muss man befürchten, dass zu wenig Gummi auf der Straße steht. Deshalb hat man ihm durch die 5 Modellreihen hindurch größere Räder verpasst. Dadurch und durch die Zunahme des Radstandes bei der letzten Modellreihe und jetzt wieder wurde er erwachsener und glaubwürdiger mit seinem Anspruch Frontrunner bei den Sportwagen zu werden und zu bleiben.
Große Räder haben zwar schlechte Trägheitsmomente und große ungefederte Massen, was nicht zu vernachlässigende Parameter sind. Trotzdem ging man nun erstmals einen Schritt weiter, indem man auch den Weg zu unterschiedlichen Raddurchmessern an Vorder- und Hinterachse frei machte.
Ohnehin führt die Ungleichverteilung des Gewichts durch den hinten heraushängenden Flatsix schon immer zu einer hecklastigen optischen Proportion, wonach nicht nur viel gravitatorische sondern auch viel „optisches Gewicht“ auf der Hinterachse hängt. Größere Räder hinten waren da nur ein logischer nächster Schritt und zwar technisch und optisch. ADAS Helferlein, bessere Reifenperformance und im letzten Modellwechsel und jetzt weiter verlängerter Radstand sowie viele andere Detailmaßnahmen taten ein Übriges zu der sehr guten Quer- und Längsperformance des 911.
Und das ist es dann auch schon in Sachen Anmutung durch Besinnung auf Stärken, Bekanntes und Bewährtes: die typischen Charakterlinien wie eh und je die im immer gleichen Duktus nach hinten fallende Dachlinie, die hohen vorderen Kotflügel, um die Rundscheinwerfer trotz der wie immer eben und steil nach vorne abfallender Haubenlinie irgendwie sinnstiftend an den Ecken zu platzieren.
Und die großen Räder tun ein weiteres Wunder: selbst rennsportbesessene Trägheitsmomenten-minimierer stecken die für den Archetyp des alltagstauglichen Sportwagens immer noch viel zu langen Überhänge kritiklos weg, einfach weil die großen Räder alle anderen Dimensionen relativieren.
Und da fragt sich der Leser nun, was denn nun noch steiger- und verbesserbar war?
Höhere Performance? Ja natürlich er geht 2 bis 4 Zehntel schneller durch die hunderter Schranke zumal die Michelins gepaart mit dem Allrad das Gefühl unbegrenzten Grips geben. Und beim Mitfahren zeigt der Maximalwertzeiger eindrucksvoll was Magen und Popometer längst wussten: 1,55 g quer als Maxwert, das war vor ein paar Jahren nur reinen Rennautos zuzutrauen. Sicher einzigartig ist, wie stark sich der Antrieb hinsichtlich Bedienungsaufwand zurücknimmt. Dank Doppel-kupplungsgetriebe entfällt das Rühren in der Zahnradbox ebenso wie das Kuppeln. Leider konnte ich nicht selbst fahren, war aber beim Mitfahren fasziniert, wie leicht sich der Porsche Fahrer damit tat, Gas und Lenkrad so zu modulieren, dass es ohne ADAS Helferlein dem Tanz auf einer Kanonenkugel glich, wie er dauernd inner- oder außerhalb des Kamm‘schen Reibkreises hin- und her turnte.
Also volle Konzentration auf das Fahren und das Ausloten der Querbeschleunigungsgrenzen ohne sich auch nur im geringsten Gedanken machen zu müssen, was der Verbrenner jetzt gerade braucht.
Und da kommt er schon verdammt nahe an die Qualitäten eines elektrischen Antriebs. Die acht Gänge helfen einfach, dass der Motor noch nicht im Ansatz ins Drehmomentloch fällt und sich dadurch dann so anfühlt, wie ein E-Motor nur halt etwas träger als ein Tesla. Doch fair bleiben bitte: Beim Verbrenner läuft da ein Riesen Mäusekino ab. Das Doppelkupplungsgetriebe schaut laufend nach, ob der Motor schon Leistung hat und arbeitet mit kleinen Gängen so lange dagegen, bis endlich die Turbos genug Luft in die 6 Pötte gedrückt haben, die Düsen genug Hochdruckkraftstoff bereitge-stellt haben und dann die ganze Mechanik Kette in Wallung kommt. Wenn man im E-Auto das Pedal ganz runter drückt, dann marschieren die Elektronen mit Lichtgeschwindigkeit von der Batterie über den Umrichter zum und durch den Motor.
Andererseits beherrscht der Elfer quer und längs alle Disziplinen so gut, dass man sich fragt, wer, außer aktiven Rennfahrern „erfährt“ und „erspürt“ das überhaupt noch ohne deutlich die eigene Angst- und Kontrollgrenze zu überfahren. Also bleibt das gute Gefühl noch mehr zu können, wenn man könnte und wollte…? Und auf den Punkt gebracht, hatte das Vorgängermodell schon ansehliche Leistung, so dass das Wegstellen des Alten wegen zu wenig Leistung wohl eher nicht oft passiert.
Was dann? Exklusivität? Eher nein, dazu ist er einfach zu erfolgreich. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachbar denselben Elfer in die Garage stellt, ist einfach ungleich größer, als dass er einen neuen Lambo oder Ferrari kauft.
Noblesse und Savoir Vivre? Schon eher, ganz nach dem Motto, der oder die hat verstanden, wie man Sportwagen dekliniert, auch wenn man gar kein großes Thema aus der Kaufentscheidung machen will. Das hat auch etwas von Leichtigkeit. Keiner unterstellt, dass man da nun Jahre dafür gespart hat, sondern man eher ohne lang nachzudenken die konsumtorische Leerstelle Sportwagen gefüllt hat. Sportwagen – 911 was denn sonst?
Individualität und Seele? Schwierig, auch wenn das Produktmanagement durch unzählige Sonderserien das Ambiente von Vielfalt zu schaffen sucht. Auch Seele ist schwierig, man müsste ja geradezu dem Nähroboter, der die Sitzleder zusammen stitcht ein paar Programmfehler unterjubeln, um ein Gefühl von menschgemachter Individualität durch mit der großen Ledernadel in Reihe sitzender Sattler entstehen zu lassen und das, trotz aller Großserienattitude und Qualitätsbias im Konzern.
Und da ist sie nun, die Frage aller Fragen: hilft Perfektion der Emotion oder killt sie sie?
Aber wahrscheinlich muss man diese Frage nicht beantworten, wenn man es geschafft hat, der Archetyp für den Gattungsbegriff Sportwagen zu werden – Sie würden doch auch nicht mit Hansaplast Weihnachtspäckchen zukleben – oder Nivea Creme ins Gesicht schmieren….?
Nie war der Elfer so gut und gleichzeitig war er nie so in seiner Existenz bedroht wie jetzt. Und Porsche wäre nicht Porsche, wenn die Bedrohung – wenn es eine gab – nicht aus dem eigenen Haus gekommen wäre. So erfuhr die Primadonna im eigenen Hause schon immer Artenschutz z.B. vor dem kleinen Krokodil Cayman, das ich in meiner Zeit als Porsche Engineering Chef domptieren durfte, das durch seinen Mittelmotor immer einen Deut besser durch den Eifelring pflügte als der Urvater.
Aber mit dem Aufkommen des Taycans wird es für den Elfer schwierig. Warum denn das, wird mancher denken? Die einfache Antwort ist, dass keine Performance Lücke mehr bleibt. Wenn das Model S, das ja eher Limousine als Sportwagen ist, in unter 3 sec auf die 96 km/h stürmt, dann darf der Taycan diese Disziplin keinesfalls schlechter absolvieren, will sagen, er wird den Himmelssturm über eine Sekunde besser schaffen müssen als der Elfer.
Aber wer wird denn überhaupt solch komische Fragen stellen, die Zeit lässt sich doch auch viel besser durch eine funkgesteuerte E-Uhr erzeugen, als durch die komplexe Unruh einer Constantin Vacheron! Und wer das Kleingeld und die Lust darauf hat, lässt sich es doch auch von niemandem nehmen, sich so ein komplexes Miniaturräderwerk ans Handgelenk zu binden!
Dr. Ulrich W. Schiefer, MBA