Autoexperte Schiefer nähert sich auf der eMove 360 erstmals den Fahrzeugen der beiden neuen Fahrzeughersteller Sono und eGo.

Kaum einer kennt sie – die neuen Automobilhersteller am E-Mobilitätshimmel: während Sono aus dem bayrischen stammt, kommt der eGo aus Aachen. Beide haben universitären Hintergrund:

Bei eGo greift ein Aachener Professor, der ja eigentlich hauptsächlich Produktionsspezialist ist, selbst ins Entwicklungsvolant, während Sono von frisch von der Hochschule abgegangenen Ingenieuren aufgebaut wurde.

Wenn man sich etwas Neuem nähert, sucht sich das Gehirn, schnell eine Referenz zu dem, was es schon kennt, um schnell zu unterscheiden zwischen Gefahr oder Ungefahr. Und so warf mein Gehirn beim rundlich, organisch gestylten eGo das in meinem Cachespeicher abgelegte Bild eines mittels breiterer Spur und großen Rädern gepimpten Ford Ka einer früheren Generation aus.

Ganz anders beim Sono, der eher schlicht, in seiner kubischen Gestalt wuchtig und durch sehr flache Flächen kantig daherkommt. Hier schwieg der menschliche Cachespeicher zunächst, morphte dann aber eigenständig die Grundgeometrie eines BMW i3 mit der Detailformensprache eines Ford C-max der ersten Generation.

Beide Designs finden durchaus Platz in der heutigen automobilen Gestaltungswelt. Während der eGo eher gemocht werden will, eher weibliche Emotionen anspricht, nach dem Motto, „mit dem würde ich am liebsten kuscheln“, macht der Sono klar, dass er nicht einem reichweiteninduzierten Spardiktat das Wort redet, sondern eher eine klare Ansage versus OEMs macht, als geplant vollwertiges, modernes Auto daherzukommen mit der Attitüde, die Großen im angestammtem Revier zu ärgern.

Wenn man sich dem Detail nähert, dann sieht man, dass der eGo sich eigentlich in einem viel fortgeschritteneren Entwicklungsstadium befindet als der Sono, der eine Karosseriequalität aufweist, wie ihn bei den OEMs nur Prototypen im frühen Entwicklungsstadium haben.

Andererseits kämpft der eGo mit den Einschränkungen, die ihm das gewählte Produktionsverfahren „thermisches Tiefziehen“ auferlegt. Da wünscht sich der Designer dann teils kleine Radien, die die dicke Kunststoffplatine im Laufe des Ziehprozesses beim von eGo kollportierten Kofferhersteller großzügig überspannt und gleich einem Handschmeichler- großzügig ausrundet.

Beide Autos erlauben vernünftiges Aus- und Einsteigen. Beim eGo, hinter dem Volant angekommen, fällt der recht hart gepolsterte Sitz auf. Vielleicht lies sich der vorwiegend für NfZ Sitze bekannte Sitzhersteller Isringhausen da stark vom Commercial Vehicle Ansatz leiten. Auch der Seitenhalt fehlt eher, gerade wo der kleine Brummer mit den fetten Rädern doch ordentliche Querbeschleunigungen erwarten lässt.

Der Einstieg im eGo ist ein wenig gehandicapt durch einen recht breiten Schweller, der sicher bauartbedingte Ursachen hat. Der Innenraum ist hoch, so dass man eine recht gute Sicht auf Fahrbahn und Umgebung hat. Der Sitz selbst ist jedoch recht hoch eingebaut, so dass der Blick nach oben also z.B. auf Ampel einschränkt ist zumindest für eine große Person.

Beim Sono passt alles und es macht den Eindruck als säße man in einem BMW i3. Die Säulen versperren den Blick nicht unnötig, was für den eGo nicht komplett richtig ist. Die A-Säulenwurzel sitzt relativ weit innen, so dass man schon das Bedürfnis hat, den Oberkörper zu beugen um einen Blick um die Säule rum zu wagen.

Während der Sono eher noch das Flair eines Prototypen versprüht, der jedoch durchaus den Appeal eines Serienautos hat. Durch die verbauten BMW Großserienteile, ist der eGo schon weiter fortgeschritten, hat jedoch nicht den Anspruch an den Aufwand und die Finesse eines Automobilen Serieninterieurs heranzukommen. Das spielt aber auch keine Rolle, der eher schlichte Auftritt im Inneren ist sympathisch und strapazierfähig gleichermaßen für den halbprofessionellen oder professionellen Einsatz oder einfach für das Familienraubtier.

Das Fahrgefühl könnte unterschiedlicher nicht sein.

Während sich der Sono speziell auch durch seine sensationelle Lenkung und guter Bremse schon anfühlt wie ein Großserienauto auch wenns wegen des frühen Baustandes noch scheppert an allen Enden, vermittelt der eGo eher das Gefühl eines bodenständigen Einfachautos, dass nirgends wirklich aneckt.

Beide beschleunigen herzhaft ganz so wie man es von einem drehmomentstarken E-Antrieb erwartet.

Fahrwerk, Spurtreue und Bremse sind beim Sono deutlich besser als beim eGo. Vielleicht sind auch da BMW Teile verantwortlich? Oder hat das Sono Team einen genialen Coup gelandet?

Schöne bunte E-Mobilitätswelt – hoffentlich erblicken beide Autos das Licht der Straßenzulassung.

Das wäre wahrscheinlich ein netter Push für die träge OEM Welt!

Beste Grüße

Ulrich W. Schiefer

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